Franz

Franz Josef Wessely

15. März 1964  –  8. Juni 2015

frankie

Ein Nachruf für einen besonderen Menschen

Tweng am 27. Juni 2015

Anfang 1973, am einem kalten Winternachmittag, gab es in Tweng einen folgenschweren Unfall. Franz war damals in der 3. Klasse der Volksschule und wir wohnten noch im alten Forsthaus, unser späteres langjähriges Zuhause war zu dieser Zeit noch eine Baustelle.

Franz war an diesem Nachmittag auf dem Heimweg vom Rodeln am Weitanger. Er ging über die Taurachbrücke und der Straße entlang, dann sah er sich um, um über die Straße zu gehen. Franz war ein sehr vernünftiges und umsichtiges Kind. Wir alle kannten die Spielregeln der Tauernstraße nur allzu gut. Wer sich noch an die Jahre vor der Eröffnung des Tauerntunnels erinnern kann, der weiß, mit wie viel Verkehr wir Kinder damals aufgewachsen sind.
Er sah, dass vom Tauern herunter ein großer Sattelschlepper sehr langsam in Richtung Ort fuhr, auf der Straße war Schneefahrbahn. Und er entschied, dass er mehr als genug Zeit hatte, noch die Straße zu queren. Was er nicht sehen konnte war, dass gerade ein VW Bus diesen Sattelschlepper überholte und mit hoher Geschwindigkeit unterwegs war.

Nach dem Aufprall konnte man den Abdruck der ganzen Gestalt des Kindes mitten auf der geraden Vorderseite des VW Busses sehen. Franz lag bewusstlos im Schnee am Straßenrand. Die schweren Verletzungen dieses Unfalls haben die Weichen für das Leben unseres Bruders völlig umgestellt.

Schädelbasisbruch, eine massive Hirnquetschung, tagelanges Koma, wochenlange Krankenhausaufenthalte mit unsicherer Prognose, viele Nachuntersuchungen, schwere Medikamente über viele Jahre hinweg …
Franz war ein sehr intelligentes Kind. Seine schweren Kopfverletzungen haben ihn nicht dumm gemacht, aber labil und weniger belastbar. Sie haben seine Persönlichkeit verändert.

Nach der Volksschule besuchte Franz das Gymnasium, maturierte, studierte vier Semester Jus in Salzburg, die er erfolgreich abschließen konnte. Dann beschloss er, einen Winter in einem noblen Wintersportort in Tirol zu arbeiten und mit dem erarbeiteten Geld in die USA zu fliegen.
Nach einem halben Jahr in Amerika und einigen Monaten in London kehrte Franz zurück in den Lungau. Er beschloss, Skilehrer zu werden und machte die Ausbildung dazu. Als Skilehrer war er dann auch viele Jahre am Tauern aktiv.
In späteren Jahren absolvierte er drei Semester Informatik in Wien.

Im Herbst 1995 hatte unser Vater einen schweren Schlaganfall und brauchte häusliche Pflege. Franz blieb in Tweng und damit eine Stütze für unsere Mutter. Im Februar 1996 starb Vati an einem zweiten Schlaganfall.
Im Laufe dieses Jahres begann Franz, die Franz-Josef-Hütte gegenüber dem alten Forsthaus als Lokal umzubauen und es später mit seiner Partnerin Petra zu bewirtschaften. Im Sommer 2001 heirateten Franz und Petra.

Wer sich mit Kopfverletzungen befassen muss, lernt schnell, dass betroffene Menschen am besten völlig die Finger vom Alkohol lassen sollten. Die Realität ist meist anders und weder das Leben als Skilehrer noch in der Gastronomie eignet sich wirklich für diese empfohlene Abstinenz.
Mit diesem Schicksal kämpfen allerdings viele.

Sein immer schlechter werdender gesundheitlicher Zustand der letzten Jahre war das Resultat einer Kombination all dieser Umstände. Eine Spätfolge der Kopfverletzungen war die latente Gefahr von wiederkehrenden epileptischen Anfällen, Franz musste zahlreiche Medikamente nehmen und kämpfte zudem oft mit depressiven Phasen.
Er sah nach vielen Anläufen und großer Bereitschaft zu jeder Art von Beschäftigung zuletzt keine Chance mehr für sich auf dem Arbeitsmarkt, der – wie viele aus eigener Erfahrung wissen – sehr hart sein kann.

Ein Nachruf, ein Begräbnis, eine Verabschiedung wie diese heute, ist eine Chance – meist die letzte – ein Leben im Zusammenhang zu sehen und diesen Menschen mit all seinen Stärken und Schwächen ins Gleichgewicht zu stellen.

Der große Psychoanalytiker Viktor Frankl hat gerne in seinen berühmten Vorlesungen Johann Wolfgang von Goethe zitiert: „Wenn wir die Menschen so nehmen, wie sie sind, dann machen wir sie schlechter. Wenn wir sie aber so nehmen, wie sie sein sollen, dann machen wir sie zu dem, was sie sein können.“
Seine Botschaft: Wir dürfen unseren Mitmenschen guten Gewissens viel mehr zutrauen. Potential braucht Chancen.

Unser Franz war ein Mann, dem materielle Dinge wenig bedeutet haben. Er legte keinen großen Wert auf elegantes Auftreten; Geld war etwas, das praktisch, aber nicht wichtig ist. Das machte ihn nicht zum erfolgreichen Geschäftsmann, aber zum liebenswerten Mitmenschen, der schon als Student immer großzügig das, was er gerade hatte, mit anderen teilte. Ohne lange zu überlegen, ob er dann selbst morgen auch noch genug haben würde. Die schwächeren Mitglieder unserer Gesellschaft sah Franz immer als seine besonderen Freunde, er hatte ein weiches und mitfühlendes Herz.

Franz war ein Mensch mit vielen Talenten. Er war ein begabter Zeichner und Karikaturist. In der Oberstufe im Gymnasium erhielt er ein Stipendium für die Sommerakademie in Salzburg, eine sehr begehrte und wertvolle Chance zu einer großartigen Weiterbildung.

Er war musikalisch, spielte viele Jahre lang die Orgel in dieser Kirche und konnte auch Gitarre spielen. Franz hatte einen genialen Sinn für Humor und war ein großartiger Analytiker, er hatte eine schnelle Auffassungsgabe und einen klaren Blick für Zusammenhänge.

Unser Bruder war ein sehr weltoffener Mensch, tolerant, sprachbegabt, leutselig, kontaktfreudig. Er liebte die Frauen und viele Frauen liebten ihn.

Am 8. Juni ist Franz in der Intensivstation des Schwarzacher Krankenhauses an Multiorganversagen gestorben. Wir alle liebten ihn sehr und wir werden ihn immer vermissen.

Deine Mutter, Deine Brüder Cornel und Robert
und Deine Schwestern Barbara, Ursula und Nina

Der Gipfelsieg

In den Siebzigern

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4 Antworten zu Franz

  1. Roesemarie und Erich Thell schreibt:

    Liebe Nina!
    Erich und ich haben gestern noch deinen so liebevoll und tiefgehenden Nachruf für deinen Bruder Franz-Josef gelesen. Ich war sehr betroffen, gewissermaßen auch traurig und habe mich gleichzeitig gefreut über sein Wesen! Ja, so wie du Franz-Josef beschreibst, habe ich ihn in der eher kurzen Begegnung erlebt, intuitiv erkannt. Ich sagte damals zu Erich: „Das ist ein blitzgescheiter, hochintelligenter Mann, der viel Verständnis für Menschen mit Herz hat und Hochmütigkeit sowie falschen Stolz mit Arroganz ablehnt. Ein begnadeter Rhetoriker mit einem sehr lebendigen, ausgewählten Wortschatz. Vielleicht treffen wir ihn wieder eimal“. Das ist aber leider nicht mehr geschehen. In kurzer Form habe ich dir von dieser Begegnung erzählt!
    Leider können wir heute nicht zum Gottesdienst kommen. Eine schon lange versprochene Angelegenheit lässt sich nicht verschieben.
    Dass euer Franz-Josef von seinem Leiden nun erlöst ist und bei Gott das Ewige Leben hat, möge dich und all deine Lieben trösten!
    In diesem Sinne alles Gute!
    Rosemarie und Erich Thell

  2. cornel wessely schreibt:

    franz, ich liebe dich sehr!

  3. Susanne Kleemann schreibt:

    Liebe Familie Wessely, liebe Ursula, lieber Cornel!
    Es tut mir sehr leid, daß ihr euren Bruder so früh verloren habt. Ich war ganz geschockt, als ich vor einigen Tagen den Nachruf gelesen habe. Eigentlich wollte ich mich mit den Bildern der Homepage von Tweng an einen Winterurlaub in meiner Jugend erinnern. So bin ich auf Ihre Seite der Zimmervermietung gelangt, denn genau in diesem Haus haben meine Schwester Sabine und ich damals unsere Ferien verbracht. Während eines Almurlaubs hat sich Sabine ins Knie gehackt. Im Krankenhaus lag sie mit Ursula im selben Zimmer und die beiden haben sich angefreundet. Ursula hat dann einen Teil ihrer Ferien bei uns in Süchteln (Deutschland) verbracht. Eure Mutter hat uns dann beide zu einem Gegenbesuch im Winter zu euch nach Tweng eingeladen. Dort haben wir dann auch Franz und Cornel kennengelernt. Wir waren jeden Tag zum Skifahren unterwegs. Mit Franz mussten wir die schweren schwarzen Buckelpisten runter, obwohl wir Anfänger waren. Der Urlaub war sehr lustig und Franz hat uns dann auch in Süchteln besucht. Wir sind dann an die Nordsee nach Holland oder Belgien getrampt. Das muss so 1983 gewesen sein. Später hat sich der Kontakt aber verlaufen. Trotzdem finde ich es sehr traurig, daß er nicht mehr lebt.
    Ganz liebe Grüße aus Deutschland
    Susanne Kleemann (damals Machleid)

  4. Peter Esterl schreibt:

    Ich habe Franz-Josef nie kennen gelernt, aber nach diesem berührenden, aber auch realistischen Nachruf, habe ich das Gefühl, ich hab was versäumt …
    RUHE IN FRIEDEN!

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